KINDER STÄRKEN - Ein Projekt für die Zukunft
Zunächst ein paar Worte zu mir und meiner Einrichtung: Ich war 25 Jahre Leiterin einer AWO-Kindertagesstätte in Chemnitz. Diese Einrichtung besuchten 123 Kinder, davon 21 Krippenkinder und 20 Hortkinder. So sammelte ich über viele Jahre Erfahrungen bei der Arbeit im Umgang und der Kommunikation „an der Basis“, vor allem mit sozial schwachen Eltern und Kindern. Ich hatte aber nie richtig Zeit für diese Klientel, was mich in meiner pädagogischen Arbeit nicht wirklich befriedigte. Zudem kann ich auf eine Reihe von projektbezogenen Ideen zurückgreifen, resultierend aus meiner langjährigen Tätigkeit als Kita-Leiterin und Verantwortliche für das Projekt LOP – Lernort Praxis.
Anfang des Jahres 2016 suchte die Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Chemnitz u. U. für das ESF-Projekt „Maßnahmen für Kinder mit besonderen Lern- und Lebenserschwernissen in Kindertagesstätten“ fünf Mitarbeiter (m/w). Mir konnte nichts Besseres passieren, das Projekt kam mir wie gerufen, also bewarb ich mich.
Es hat geklappt, und so arbeite ich seit August 2016 gefördert durch den ESF als zusätzliche sozialpädagogische Fachkraft mit 30 Wochenstunden in der AWO-Kindertagestätte Clara-Zetkin-Straße 1. Nun habe ich wirklich Zeit für Kinder und Eltern, welche Beratung, Begleitung und Unterstützung in den verschiedensten Lebensbereichen brauchen.
Meine jetzige Einrichtung besuchen 74 Kinder, davon 19 unter Dreijährige und 55 über Dreijährige. Seit Oktober 2015 arbeitet diese Kita nach einem teiloffenen Konzept, d.h. die Kinder haben ihre Stammgruppe und ihre Stammerzieherin. Zu bestimmten Zeiten am Tag können sich die Kinder je nach ihren Neigungen, Bedürfnissen, Interessen und Wünschen im Haus frei bewegen. Die Kinder werden von 8 staatlich anerkannten Erzieherinnen gebildet, erzogen und betreut.
Meine konkrete Aufgabe ist es, Kinder mit Lern- und Lebenserschwernissen zu unterstützen, also KINDER zu STÄRKEN. Dabei aktiviere und vertiefe ich die Zusammenarbeit mit den Familien, dem Kita-Team und der Leiterin. Darüber hinaus wird die Netzwerkarbeit mit anderen Fachkräften, z.B. aus der Grundschule, dem Gesundheitsamt, dem Arbeits- und Sozialamt sowie Beratungsstellen (vorwiegend der AWO) aufgebaut bzw. verstetigt.
Dabei nehme ich Bezug auf verschiedene personen- und lebenslagenbezogene Kriterien. Ich mache mir ein differenziertes Bild von den Kindern und ihren jeweiligen Lebenssituationen. Dabei umfasst meine primäre Beschreibungsebene Kriterien der materiellen Versorgung, der physischen und psychischen Gesundheit, der Kompetenzen und des Verhaltens der Kinder. Ebenso schaue ich auf familiäre und institutionelle Einflussfaktoren der Lebenssituationen der Kinder. Dieses geschieht durch intensive Erhebung, wie z.B. zahlreiche Hospitationen in den Gruppen, mehrfache Gespräche mit den Erzieherinnen, den Eltern, der Leiterin sowie weiteren Fachkräften (Grundschule, Beratungsstellen).
Daraus resultierend ermittle ich die Bedarfe der Kinder und die Herausforderungen für die pädagogische Arbeit. Besonderen Wert lege ich auf die Feststellung von Bedürftigkeit und die Formulierung entsprechender Kind-bezogener Bedarfe. Mir geht es hier v. a. um eine Beschreibung dessen, WAS KINDER BRAUCHEN, WAS aufgrund ihrer Ausgangs- und Lebenssituationen hilfreich und förderlich für ihre Bildung und Entwicklung wäre und worin im Sinne von Chancengerechtigkeit konkreter UNTERSTÜTZUNGSBEDARF besteht.
Mein nächster Schritt ist es, entsprechende Maßnahmen festzulegen. Abgeleitet aus dem IST-Stand und den Kind-bezogenen Bedarfen komme ich nun zur Zusammenstellung und Priorisierung von bedarfsgerechten, fachlichen Themen und inhaltlichen Arbeitsschwerpunkten bis hin zur Formulierung konkreter Zielstellungen.
Aus dem Vorhaben und den Zielen leitete ich die Planung und Beschreibung von geeigneten Maßnahmen der Kita und damit verbundenen Aufgaben für mich, als ZFK, entsprechend der Themen, Arbeitsschwerpunkte und Zielstellungen ab. Hierbei geht es mir auch darum, realistisch abzuwägen, worauf die Kita bzw. ich als ZFK im Stande sind, wirksam Einfluss zu nehmen.
Bsp.: Materielle Versorgung der Kinder
Kleidung Y, K : – witterungsentsprechend; passend; sauber
Bsp. 1: K: „Mutti hat mir neue Stiefel gekauft, da kann ich bei Regen auch in die Pfützen springen. Weißt du noch, wo meine Schuhe ein Loch hatten, und meine Füße und Socken patschnass waren.“
Kleidung Y;K: Gespräch mit Gruppenleiterin und Mutter, Kontrolle der Kleidung von Y; K durch Gruppenleiterin und ZFK, Gespräch mit betreffenden Kindern
Nahrung K: – ausreichend; regelmäßig (Teilnahme am Mittagessen; Frühstück; Vesper in der Kita)
Bsp. 2: K: „Ich esse jetzt zweimal früh, einmal vom Bäcker Salzbrezel, nicht immer, und im Kindergarten Frühstück, da bin ich richtig satt.“
Nahrung K: Befragung von K nach Essenseinnahme zu Hause, Gespräch mit Mutter und Gruppenleiterin, Info an Leiterin über Sachstand
Mein letzter Schritt ist die Reflexion und Weiterentwicklung meiner Tätigkeitsbereiche als ZFK. Im Prozess oder nach der Umsetzung meiner Maßnahmen erfolgt eine Reflexion meiner Aktivitäten und der erreichten Ziele mit der Gruppenleiterin, den Eltern bzw. anderen Fachkräften. Dabei geht es mir sowohl um eine interne Bewertung als auch um die Anpassung der Handlungspraxis an die jeweilige Situation in der Kita. Diese Schritte dokumentiere ich fortlaufend in einer bedarfsorientierten Ziel- und Maßnahmeplanung. Diese dient mir als Leitfaden und Orientierungshilfe in meiner täglichen pädagogischen Arbeit in der Kita bzw. auch mit weiteren Netzwerkpartnern.
Mein Wunsch ist es, dass die Arbeit im Projekt so nachhaltig sein soll, dass auch nach Ende der Förderung durch den ESF ein breites Spektrum für Kinder und Familien in den Einrichtungen vorhanden ist und das Expertenwissen auch an andere Einrichtungen im Kreisverband weitergegeben werden kann. Wir wollen ein stetiges und verlässliches Netzwerk zu externen Stellen der Kinder- und Jugendhilfe sowie zu Beratungsstellen für besondere Lebenslagen aufbauen. Vorstellbar wäre auch eine Handreichung für Erzieher zum Thema „Unterstützung für Kinder mit besonderen Lern- und Lebenserschwernissen“. Am sinnvollsten wäre es, wenn meine Stelle als ZFK dauerhaft wäre.
Bärbel Struck, Diplomsozialpädagogin
– Oktober 2017 –