„Eine CD wollen wir machen!“ und „Ein Stabtheater - Das wäre was Tolles!“
Erfahrungsbericht über Projektarbeiten mit zwei festen Gruppen von Kindern im schulvorbereitenden Kindergartenjahr (SVJ):
Mein Anliegen
Kindern in der Kita Räume für ihre eigenen kreativen Ideen zu öffnen, für das gemeinsame Ausprobieren, Entwickeln und auch zum Abschluss-Bringen eines Projektes, das war mir ein Anliegen als Kitasozialarbeiterin in der Kita, in der ich seit Oktober 2018 tätig bin.
Kinder im letzten Kindergartenjahr (SVJ) erleben einen besonderen Übergang vom Kindergartenkind zum Grundschulkind und sollten hierbei sensibel und achtsam durch uns pädagogische Fachkräfte begleitet werden. Hier ist es von Vorteil, wenn sich in der Kita eine zusätzliche Fachkraft befindet, die zusätzlich zum pädagogischen Angebot ihren Fokus darauf legen und die individuelle Arbeit mit den Kindern vertiefen kann.
Gemeinsame Planung und Durchführung
Die zwei Gruppen von 5- bis 7-jährigen Kindern (jeweils 9 Kinder) machten sich mit mir auf die Reise in auch für mich, zumindest in der Projektarbeit mit dieser Altersgruppe, unbekanntes Terrain.
Die Kleingruppen bestanden aus den Schulstarter*innen der jeweiligen Stammgruppe und hatten inklusiven Charakter, denn alle Kinder dieser bestimmten Altersklasse nahmen teil, natürlich dabei auch Kinder der Zielgruppe des ESF-Programms KINDER STÄRKEN.
Ich lud die jeweiligen Kinder dazu ein, mit mir zusammen zu regelmäßigen, in den Kita-Ablauf integrierten Zeiten (geplant war ursprünglich ein bis zwei Mal wöchentlich) ein gemeinsames Projekt zu gestalten. Mein Ansatz war hierbei, kein bestimmtes Thema vorzugeben, sondern gemeinsam mit den Kindern auf Augenhöhe Ideen zu entwickeln, mit ihnen ins Gespräch zu kommen, abzuwägen, verschiedene Vorschläge anzuhören, Kompromisse einzugehen, kritisch zu hinterfragen und eine gemeinsame Lösung zu finden, mit der alle beteiligten Kinder einverstanden sind und sich motiviert fühlen, an dem Projekt mitzuarbeiten.
Die Kinder der einen Gruppe wollten gern „eine CD machen“ („CD-Gruppe“), die der anderen ein kleines Theaterstück mit selbst gestalteten Stabfiguren aufführen („Stabtheater-Gruppe“).
Ich begleitete die Kinder bei der Erstellung ihrer jeweiligen selbst erfundenen Geschichten, die zum Grundgerüst für sowohl die Hörgeschichte (auf CD) der einen Gruppe, als auch für das Stabtheater (als Video) der anderen Gruppe werden sollten. Hierbei malten die Kinder gemeinsam auf ein großes Plakat in jeweils abgeteilten Abschnitten ihre Ideen spontan auf. Anschließend kamen sie miteinander unter meiner Moderation ins Gespräch. Sie stellten ihre jeweilige Idee den anderen vor und überlegten gemeinsam, welche Ideen Platz in der Geschichte finden und welche „rausfliegen“. Am Ende dieses Teilprozesses hatten beide Kindergruppen eine Geschichte zusammengestellt, die sie nun mit meiner Unterstützung gestalterisch umsetzten:
- Die Kinder der „CD-Gruppe“, indem sie die verschiedenen Rollen der Geschichte (z. B. Katze, Vögel, Familienmitglieder, Ente) einsprachen, Geräusche mit allerlei Equipment selber produzierten und mit einem Recorder aufnahmen, selbst CD-Hüllen gestalteten und sich über dieses Projekt mit verschiedenen Themen auseinandersetzten: einander Zuhören, verschiedene Klangmomente erleben, die eigene Stimme gezielt einsetzen und digitale Medien konstruktiv nutzen.
- Die Kinder der „Stabtheater-Gruppe“, indem sie sich mit der kreativen Gestaltung verschiedener Stabfiguren, kleiner Theaterkulissen und anderem Zubehör fürs Theater einbrachten, mit den verschiedensten (Bastel-) Materialien experimentierten, sich selbst organisierten, sich miteinander absprachen und kooperierten und am Ende für die Aufnahme der Aufführung auch noch die Stabfiguren führten und als Regieassistent*innen tätig waren.
© Katja Arnold
Abschluss und Reflexion der Projekte
Die Kinder konnten sich jeweils in ihren Kleingruppen nach ihren individuellen Ressourcen einbringen. Auch Kinder, die sonst im Gruppenkontext eher zurückhaltend agieren, sich weniger zutrauen, haben sich mit ihrer Idee, ihrer individuell gestalteten und geführten Stabfigur oder im Fall der Hörgeschichte mit ihrer eigenen Stimme beteiligen können. Sie wurden im wahrsten Sinne des Wortes gehört und gesehen. Die Kinder haben sich zum Abschluss der Projekte im wortwörtlichen Sinne alle stolz gegenseitig auf die Schultern geklopft.
Die Familien der beteiligten Kinder erhielten von mir im Laufe des Prozesses mehrmals eine Kurzbeschreibung der Aktivitäten und geförderten Bildungsbereiche sowie Fotos der Arbeiten ihrer Kinder. Es war mir dabei wichtig zu vermitteln, dass die pädagogische Tätigkeit mit Kindern im SVJ aus meiner Sicht vor allem die Förderung von Kompetenzen im sozial-emotionalen Bereich im Blick haben sollte, z. B. konstruktive Konfliktlösestrategien haben, Frustrationsmomente aushalten, unbekannten Situationen zuversichtlich begegnen können, selbstbestimmt und eigenaktiv ein Projekt bearbeiten, soziale Regeln einhalten oder sich in einer Gruppe angesprochen fühlen. Die Kinder der „CD-Gruppe“ erhielten ihre Hörgeschichte auf einer CD zusammen mit einem persönlichen Brief von mir in ihr Portfolio. Die Kinder der „Stabtheatergruppe“ schauten das Video des gefilmten Theaterstückes stolz zusammen mit den jüngeren Kindern ihres Stammgruppenbereiches und bekamen auch einen persönlichen Brief und den Link zum Film in ihr Portfolio. Mehrere Familien gaben mir persönlich eine Rückmeldung, wie beeindruckt sie von dem Projekt und dem Engagement ihrer Kinder gewesen sind.
© Katja Arnold
Den pädagogischen Fachkräften gab ich jeweils im Laufe der Projektarbeiten Feedback über meine Arbeit und deren pädagogische Ziele und stellte ihnen besondere Beobachtungen über bestimmte Kompetenzen von Kindern zur Verfügung. Dies diente oft zum Austausch über die Entwicklung der Kinder und die Fachkräfte profitierten von einem zusätzlichen Blick auf die Kinder im SVJ.
Für mich war die Projektarbeit mit den beteiligten Kindern sehr spannend, da über das gemeinsame Schaffen und Tun, miteinander ins Gespräch kommen, schon allein über die Findung von Geschichtenideen die Themen der Kinder so offen zum Vorschein traten und ich im Verlaufe des Prozesses viel über die aktuellen Fragen der Kinder, ihre Hoffnungen, ihre Sorgen und Ängste erfahren konnte. Ich hatte die Möglichkeit, direkt darauf einzugehen beziehungsweise darüber auch mit den jeweiligen Gruppenerzieherinnen ins Gespräch zu kommen.
Die Kinder konnten des Weiteren auf diesem Weg ihre Kompetenzen vor allem in den sozial-emotionalen, kommunikativen, ästhetischen, somatischen oder naturwissenschaftlichen Bildungsbereichen für sich selbst erfahren und sich mit ihren persönlichen Ressourcen selbstbestimmt einbringen.
Katja Arnold | Kitasozialarbeiterin in der Kita Prießnitzzwerge, Dresden
– Frühjahr 2022 –
Vom pädagogischen Gruppenangebot zur Einzelbegleitung
Dokumentation eines Prozesses im Rahmen der Stelle als zusätzliche Fachkraft in einer Kita im Zeitraum Januar 2019 bis Juli 2019
Ich bin seit Oktober 2018 als Kitasozialarbeiterin in der Kita Prießnitzzwerge in Dresden Neustadt tätig. Anhand der bedarfsorientierten Ziel- und Maßnahmeplanung, welche am Beginn meiner Tätigkeit in der Kita stand, kristallisierte sich in Absprache mit dem Bezugspädagogen einer altersheterogenen Kindergruppe (16 Kinder im Alter zwischen 3-7 Jahren) heraus, dass ein regelmäßig stattfindendes pädagogisches Angebot zur Stärkung sozialer und emotionaler Kompetenzen für die Kinder der Gruppe etabliert werden könnte. Anlass hierfür waren meine eigenen Beobachtungen, sowie die des Bezugserziehers. In der Gruppe gab es eine Anzahl von Kindern, die herausforderndes Verhalten bezüglich ihres Sozialverhaltens zeigten (verminderte Impulskontrolle, aggressives Verhalten, wenig Empathie, mangelnde Emotionsregulierung, Nicht-Einhalten von Gruppenregeln usw.). Auf der anderen Seite befand sich in der Gruppe ein gewisser Anteil von Kindern, die neben den aktiveren, lauten, herausfordernden Kindern wenig sichtbar waren und „in den Hintergrund“ gerieten. Gemeinsam mit dem Bezugserzieher der Gruppe beschloss ich eine regelmäßige Verankerung des pädagogischen Angebotes (einmal wöchentlich an einem bestimmten Tag, für ca. eine Stunde) im Wochengeschehen der Kindergruppe. Unsere vorher gemeinsam abgestimmten Ziele waren folgende:
- Verringerung aggressiven Verhaltens in Konfliktsituationen und Kenntnisse über die Anwendung bestimmter Konfliktlösungsstrategien, Förderung der Konfliktfähigkeit
- Erfahren von Selbstwirksamkeit und Aufbau von Selbstbewusstsein
- Förderung von Perspektivwechsel
- Förderung vor allem in den Bildungsbereichen: somatische Bildung, soziale Bildung, kommunikative Bildung, ästhetische Bildung
- Förderung von Emotionswissen, Emotionswahrnehmung, Emotionsausdruck und Emotionsregulierung
- regelmäßige gemeinsame Reflexion des pädagogischen Umgangs der Pädagogischen Fachkräfte mit den herausfordernden Kindern und des pädagogischen Handelns im Gruppengeschehen (Ausbau von pädagogischen Handlungsstrategien)
Im Rahmen des über mehrere Monate stattfindenden Prozesses agierten wir vorrangig auf den 3 Handlungszielebenen KINDER, FAMILIEN und TEAM. Hierbei nutzte ich in der gemeinsamen Arbeit mit den Kindern verschiedene Methoden zur Förderung der sozialen und emotionalen Kompetenzen, wie zum Beispiel:
- Arbeit mit einer Handpuppe
- Dialog, Gespräche, Austausch
- Rollenspiele
- bestimmte Rituale zu Beginn und Ende der Sessions
- verschiedenste Kooperationsspiele
- kreative Ausdrucksmöglichkeiten die Gefühlswelt betreffend (kreatives Gestalten, Musik, Fotografie)
- thematische Bücher, Gedichte und Geschichten
- Arbeit mit Gefühlsbildkarten
- erlebnispädagogische Elemente im Freien
Bei der Gestaltung des Angebotes wurden die Kinder von Anfang an mit einbezogen, indem sie ihre Ideen und Wünsche für die gemeinsame Aktivität benannten, anhand derer ich gemeinsam mit dem Bezugserzieher der Gruppe die einzelnen Stunden plante.
Es gab immer wieder Raum für eine gemeinsame Reflexion des Geschehenen, die Kinder wurden zur Meinungsäußerung angeregt und herausgefordert.
In der Zeit des Prozesses fand ein regelmäßiger intensiver Austausch mit dem Bezugserzieher der Gruppe statt, einerseits für die Planung des Angebotes, aber auch für Kinderbesprechungen und Unterstützung für die Entwicklung von Handlungsalternativen zum bisherigen pädagogischen Handeln in Bezug auf die auffälligen Kinder. Dem Kita-Team wurden meine Tätigkeit in der speziellen Kindergruppe und die pädagogischen Ziele meines Wirkens im Rahmen einer Teambesprechung transparent gemacht.
Die Familien der beteiligten Kinder informierte ich regelmäßig über die Infotafel der Gruppe, wo ich kurze Beschreibungen der einzelnen Treffen, mit Fotos und den beabsichtigten pädagogischen Wirkungen und Beschreibungen von tollen Momenten der Kinder darstellte. Hier war es auch möglich, die Familien um verschiedene Materialien zu bitten beziehungsweise Organisatorisches zu klären. Einige Familien kamen anhand der Aushänge auch direkt auf mich zu, um mit mir über das Projekt beziehungsweise auch speziell über ihre Kinder zu sprechen.
Im Vorhinein legten der Bezugserzieher und ich einen Termin zur ausführlichen Zwischenreflexion des Prozesses gemeinsam mit den Kindern im April 2019 fest. Hier tauschten wir uns noch einmal darüber aus, was bisher stattgefunden hat, welche Effekte eventuell schon spürbar sind und ob das Angebot in dieser Form weiterlaufen soll. Bis dahin hatte ich 4 Monate mit den Kindern regelmäßig gearbeitet. Bei diesem Treffen kristallisierte sich heraus, dass ein Teil der Kinder gern noch weiter mit mir arbeiten möchte, der andere Teil der Kinder das Projekt lieber abschließen möchte. Hier ein kleiner Ausschnitt der Kinderantworten:
„Es hat mir eigentlich ganz gut gefallen, aber über Gefühle zu sprechen, das fiel mir schwer.“
„Ich mag Treffen in der großen Gruppe nicht so, ich treff` mich lieber nur mit meinen Kumpels.“
„Ich fand alles schön.“
„In der Zeit, wo wir uns mit dir getroffen haben, konnte ich nicht Lego spielen.“
Auf Grund der unterschiedlichen Bedürfnisse der Kinder beschloss ich gemeinsam mit dem Bezugserzieher, mit einem Teil der Kinder in anderer Form noch weiterzumachen, während er mit dem anderen Teil der Kinder zur gleichen Zeit Möglichkeit und Raum zu intensiverer Beziehungsgestaltung hat und die Kinder mehr selbstbestimmte Zeit für sich.
Die Ideen der „übriggebliebenen“ Kinder wurden von mir angehört und gesammelt und wir entschieden, zusammen Pinatas zu gestalten. Die meisten der Kinder waren Schulstarter und wollten die Pinata an ihrem Schulanfang aufhängen und feierlich zerschlagen (Lebensweltbezug). Auf Grund verschiedenster Termine der Kinder, Urlauben, spontanen anderen Interessen oder zerplatzten Luftballons usw. kam es schließlich dazu, dass nur noch ein Kind die Gestaltung seiner Pinata tatsächlich bis zum Schluss umsetzen wollte. Es handelte sich um einen zurückhaltenden Jungen, dem es im Verlaufe des Gruppenprozesses laut eigener Angaben oft schwergefallen war, über seine Gefühle zu sprechen oder auch seine Meinung zu äußern. Da ich als zusätzliche Fachkraft den Auftrag und die Kapazität besitze auch außerhalb von Gruppenkontexten intensiv mit einzelnen Kindern zu arbeiten, traf ich mich weiter mit dem Jungen in der Kita-Werkstatt. Während unseres gemeinsamen kreativen Tuns kamen wir in intensiven Austausch. Der Junge offenbarte mir viel von seiner Gefühlswelt, wir sprachen unter anderem über seine Befürchtungen vor dem bald beginnenden neuen Lebensabschnitt mit Beginn der Grundschulzeit und dem Leben ohne Vater. Ich konnte erleben , wie er sich mir im Laufe der gemeinsamen Stunden und über die „Brücke“ des gemeinsamen Tuns langsam öffnete und zugänglich für bestärkende ressourcenorientierte Impulse wurde. Er erlebte sich selbst als Kind mit Geduld, Durchhaltevermögen, pfiffigen Ideen und reflektierte mit mir zusammen, dass dies wunderbare Ressourcen für den baldigen Schulstart und überhaupt für’s Leben im Allgemeinen sind. Der Prozess vom Gruppenangebot bis hin zur bedürfnisorientierten Arbeit mit einem einzelnen Kind war für mich eine sehr wertvolle Erfahrung in meiner Tätigkeit als Kita-Sozialarbeiterin.
Katja Arnold / Kitasozialarbeiterin in der Kita Prießnitzzwerge, Dresden
– Herbst 2019 –