Jede Kita ist eine Welt für sich. Es gibt kleine und große Kindertageseinrichtungen, es gibt Kindergärten und Horte sowie die Kombination aus beiden. Im Programm KINDER STÄRKEN 2.0 sind es derzeit 124 Kita-Welten, in denen Kitasozialarbeiter:innen tätig sind.
Am 21. Juni 2023 machten sich neun von ihnen aus dem Landkreis Zwickau und dem Vogtlandkreis auf den Weg in die Konradstraße in die Kita Regenbogenland nach Leipzig. Im Gepäck die Fragen, wie Kitasozialarbeit in einem großen Leipziger Integrativen Kindergarten mit komplexen sozialen Themen ausgestaltet wird und welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede es zu ihren Einrichtungen im ländlichen bzw. kleinstädtischen Raum gibt. Der Austausch wurde auf Wunsch der westsächsischen Kitasozialarbeiter:innen von den Koordinatorinnen Dorit Bauer und Steffi Weigl der Koordinierungs- und Beratungsstelle (KBS) organisiert. Sie haben im Vorfeld Absprachen mit allen Beteiligten getroffen und das Treffen mit ihnen gemeinsam vorbereitet.
Der dortige Kitasozialarbeiter war ebenso an einem Austausch interessiert und hieß die Kolleg:innen herzlich willkommen. Bei einem Rundgang durchs Haus öffnete er ihnen die Türen zur Kita-Welt. 185 Kinder aus 16 Nationen spielen und wachsen hier in zahlreichen Gruppen- und Themenräumen, z. B. Rollenspielraum, Matschraum, Lego-Raum, Atelier- und Kreativraum sowie in einem großen grünen Außengelände. Den Besucher:innen fielen einige Details besonders auf: bunte Gummistiefeltürme, mehrsprachige Pinnwände mit Terminen und Informationen für eine Willkommenskultur, Schlaf-Körbchen für die Krippenkinder, Schallschutzdecken, eine Holzwerkstatt, eine Zuckertütengirlande aus Eierverpackungen und ein ausgebauter Schrank mit Lampe und Vorhang (laut Kitasozialarbeiter bei den Kindern als Höhle sehr beliebt).
Bereits beim Gang durch die Kita kamen die Kitasozialarbeiter:innen in einen regen Austausch und in jedem Raum ergaben sich neue Fragen, u. a. zu Möglichkeiten der Partizipation der Kinder, zur Form der Essensversorgung, zur Zahnhygiene, zur Wachgruppe. Der Gastgeber beschrieb das offene und kindzentrierte Konzept und den Tagesablauf, der sich daran orientiert. Etabliert haben sich die sogenannten Mittagskreise mit festen altersgleichen Kindergruppen und den jeweiligen Bezugsfachkräften, der individuelle Umgang mit den Schlafbedürfnissen sowie ein rotierendes Obst- und Gemüsesystem, bei dem sich die Kinder über Bilderkarten entscheiden, welche Sorte die Eltern für die nächste gemeinsame Vesper für alle mitgeben.
„Alle im Team schauen auf die Kinder“, darin sieht der Leipziger Kitasozialarbeiter einen Vorteil vom offenen Konzept. In regelmäßigen Treffen werden für die Integrationskinder Ziele formuliert, an deren Umsetzung alle pädagogischen Fachkräfte beteiligt sind. Im hauseigenen Therapieraum erhalten die Kinder von externen Therapeuten Logopädie, Ergotherapie und Frühförderung. Es ist ein ganzheitliches funktionierendes System, aber aus den Erzählungen wird auch deutlich, dass es ein langer Prozess war und ist, das gesamte Team zu beteiligen und ein Kinder- und Familienzentrum (KiFaZ) mit einem Netzwerk an Kooperationspartnern aufzubauen. Neben der monatlichen Reflexion zu den Integrationskindern hat sich das alle zwei Wochen stattfindende Teamtreffen zu einer guten Kommunikationsplattform entwickelt.
Die Besucher:innen wechseln in den Raum des Kita-Teams und kamen auf die Tätigkeiten des Kitasozialarbeiters zu sprechen. Im Vordergrund steht bei ihm die Eltern- und Familienarbeit. Ebenfalls bietet er einen Schach-Klub für eine ausgewählte Kindergruppe an und begleitet die Vorschulgruppe. Zur Elternarbeit gehört, dass er diese zu Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe sowie zu anderen sozialen Diensten aufklärt, zu Beratungsstellen und Fachärzten im Stadtteil vermittelt und auch dorthin begleitet. Er unterstützt bei der Antragstellung zu BuT (Bildung und Teilhabe), bei Schulanmeldungen und setzt sich für Lösungen bei drohenden Essenssperrungen ein.
Der Zugang zu Eltern wird ihm dahingehend erleichtert, dass er bereits als pädagogische Fachkraft in der Kita tätig war und die Eltern nun seine niedrigschwelligen Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rahmen der Kitasozialarbeit nutzen. Herausfordernd ist es, den Zugang zu neuen Eltern zu bekommen. Um sprachliche Hürden zu überwinden, nutzt er die Unterstützung der Sprachmittler, die wöchentlich in die Kita kommen sowie die der Dolmetscher:innen, die beim Elternabend übersetzen. Zusätzlich verwendet er Sprachübersetzungsprogramme, z. B ChatGPT und Say Hi oder Bilderwörterbücher und erstellt die Aushänge in mehreren Sprachen. Ebenfalls ist er bei Erstaufnahmegesprächen dabei und informiert dort zu seinen Angeboten.
Für die Kitasozialarbeiter:innen aus dem LK Zwickau und Vogtlandkreis ist es ebenfalls ein großes Thema, genau die Eltern zu erreichen, die sie erreichen möchten. Die Gruppe tauscht sich zu Erfahrungen aus, wie sie Eltern besonders gut erreicht haben, z. B. Eltern-Kind-Nachmittage anbieten, da diese besser angenommen werden als reine Elterninformationsangebote; Feste mit internationalem Büffet als Magnet für hohe Beteiligung; den Hintergrund von Festen z. B. Fasching mehrsprachig erklären sowie Eltern ganz gezielt ansprechen. Auch in den ländlichen Einrichtungen gilt es, mit Mehrsprachigkeit umzugehen. Hier wird von guten Erfahrungen mit Geräten zur Sprachübersetzung berichtet.
Die Gäste stellten fest, dass der Leipziger Kitasozialarbeiter mehr sozialraumorientiert tätig ist, eine engere Elternarbeit leistet und weniger mit Kindern intensiv arbeitet. Bei den Kitasozialarbeiter:innen, die ebenfalls im Kindergarten tätig sind, liegt der Fokus vordergründig bei den Kindern und den Einzel- und Kleingruppenangeboten für diese. Aber auch sie begleiten die pädagogischen Fachkräfte bei Elterngesprächen, klären über Unterstützungsangebote auf und begleiten die Eltern ein Stück des Weges. Als Gemeinsamkeit ihrer Arbeit erkennen sie den stetigen Austausch mit Leitung und dem Kita-Team, um lebenslagenbedingte Risiken und Folgen für Kinder und Familien abzumildern.
Daneben geben die drei Kolleg:innen, die im Hort tätig sind, Einblicke in ihre Welt. Dort sind die Aufgaben und Zugänge zu Eltern teilweise nochmal andere als im Kindergarten.
Die Kitasozialarbeiter:innen kamen an diesem Vormittag noch zu weiteren Themen ins Gespräch, z. B. Umgang mit Verdacht auf Kindeswohlgefährdung und häuslicher Gewalt, Suchtproblematiken, Handhabung mit Essensperrungen, Zusammenarbeit mit Netzwerkpartnern und Jugendamt. Sie berichteten vom Spagat zwischen „Feuerlöschen“ und präventiver Arbeit. Der große Erfahrungsschatz ist spürbar. Einige von ihnen waren bereits in der vorangegangenen Förderphase KINDER STÄRKEN dabei.
Was der dreistündige intensive Austausch zeigte: Jede Einrichtung ist anders und hat unterschiedliche Bedingungen und Schwerpunktthemen. Das Konzept von Kitasozialarbeit im Programm KINDER STÄRKEN 2.0 ist vor allem als Orientierungsrahmen zu verstehen. Es geht darum, dieses Konzept mit Inhalten, die umsetzbar und machbar sind, in die Praxis zu bringen. Dabei stehen die Kitasozialarbeiter:innen vor der Aufgabe, ihren eigenen Weg zu finden.
Und darum ging es bei der Zusammenkunft in Leipzig: sich über diese Wege und ganz konkret über gelingende Wegstrecken sowie über Abzweige und Stolpersteine auszutauschen. Kitasozialarbeit hat viele Handlungspraxen und das Programm „lebt von jedem Einzelnen“, so der gemeinsame Abschlussgedanke der Gruppe. Alle sprachen sich für eine Wiederholung aus und wünschen sich einen regelmäßigen kollegialen Austausch von Großstadt und ländlichem Raum.
Impressionen
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