
Auffälliges Verhalten von Kindern stellt Fachkräfte in Kitas immer wieder und zunehmend vor große Herausforderungen. Gleichzeitig wissen wir, dass Kinder ihre Lebenssituationen, insbesondere belastende Erfahrungen oft emotional und durch ihr Verhalten verarbeiten.
Beim Netzwerktreffen an der Evangelischen Hochschule Dresden am 5. März 2025 kamen rund 100 Programmfachkräfte und Kita-Leitungen aus Dresden, dem Landkreis Meißen und dem Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge zusammen, um sich darüber auszutauschen. Dabei wurde das herausfordernde Verhalten von Kindern vor allem aus neurobiologischer Perspektive und mit Blick auf bindungstheoretische Aspekte beleuchtet – um es besser verstehen und einordnen zu können und um adäquate Umgangsweisen zu diskutieren.
Nach der Begrüßung von Projektleitung Andreas Wiere stand am Anfang der Veranstaltung eine thematische Sensibilisierung in Gruppenarbeit mit der Frage: „Was meinen wir, wenn wir von auffälligem und herausforderndem Verhalten von Kindern sprechen?“. Dabei reflektierten die Teilnehmenden individuell für sich und anhand von fünf Fragen, was ihre Beobachtungen und Wahrnehmungen dazu sind: Was erlebe ich? Was höre ich? Was sehe ich? Was fühle ich? Was denke ich?
Nach dieser Einstimmung folgte der Fachimpuls von Thomas H. Meyer-Deharde, der aus Sicht eines erfahrenen und sachverständigen Familien- sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten zu Bindungsverhalten und emotionaler Verarbeitung von Lebenserschwernissen referierte und dabei seine Perspektiven und spannenden Praxis-Einblicke mit den Teilnehmenden teilte.
Zunächst sprach Meyer-Deharde über die komplexen neurobiologischen Zusammenhänge, die dem menschlichen Verhalten zugrunde liegen. Anschließend stellte er die vier Bindungstypen nach Mary Ainsworth vor: sichere, unsicher-vermeidende, unsicher-ambivalente und desorganisierte Bindung.
Danach folgte ein Exkurs zu möglichen Beobachtungsverfahren für die verschiedenen Bindungsmuster, die sich zum Teil auch im Kita-Alltag verwirklichen lassen.
Zum Schluss öffnete Meyer-Deharde den Blick für Interventions- und Gestaltungsmöglichkeiten und betonte die Selbstwirksamkeit der Fachkräfte wie auch des gesamten Kita-Teams:
- Er ermutigte die Programmfachkräfte und Kita-Leitungen, bei den Kindern genau hinzuschauen und sich im Team über die eigenen Beobachtungen auszutauschen. Ein Abgleich kann helfen, das Verhalten der Kinder besser einzuordnen und passende Maßnahmen zu entwickeln.
- Jedes Kind bringt ein natürliches Bindungsinteresse mit. Deshalb sind (zusätzliche) Fachkräfte wertvolle Bezugspersonen, deren Angebote den Unterschied machen.
- Eine Stärkung der Gruppe stärkt gleichzeitig jedes einzelne Kind. Besonders wichtig ist, dass Kinder sich als Teil einer Gruppe wahrnehmen und soziale Bindungen aufbauen.
- Im Austausch mit den Familien lässt sich besser einordnen, wie sich das Verhalten des Kindes zuhause zeigt. Die gesamte Lebenssituation sollte berücksichtigt werden, um ein vollständiges Bild zu erhalten.
Ein bindungssicheres Umfeld in der Kita gibt gerade unsicher gebundenen Kindern einen wertvollen Halt. Klare Sprache, feste Rituale und verlässliche Bezugspersonen schaffen Sicherheit und helfen, Bindung und soziale Kompetenzen zu entwickeln. Jede Fachkraft kann mit ihrem Gestaltungsspielraum dazu beitragen, eine bindungssichere Kita zu schaffen. Denn nur wenn Kinder sich sicher fühlen, können sie lernen und wachsen.
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