Zum Inhalt springen Zur Navigation springen Zum Fußbereich und Kontakt springen
06_KINDER STÄRKEN 2.0_Netzwerktreffen_Dresden_21.03.2024 ©SLfG

Im März und April 2024 fanden vier regionale Netzwerktreffen für die KINDER STÄRKEN 2.0-Standorte in Ostsachsen (Landkreise Meißen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Bautzen sowie Stadt Dresden) statt. Ein weiteres folgt Mitte Mai im Landkreis Görlitz. An diesem Austauschformat nahmen sowohl die zusätzlichen Fachkräfte als auch die Kitaleitungen der jeweiligen Landkreise teil. Die Programmpraxis zeigt, dass vor allem die Kitaleitung eine wichtige Schlüsselposition für die Umsetzung des Programms KINDER STÄRKEN in den Einrichtungen ist.
Beispielhaft gibt es im folgenden Text Einblicke in das Treffen am 10. April 2024 in Heidenau. Im und unter dem Beitrag sind Bilder von diesem Treffen veröffentlicht. Unterhalb findet sich ebenfalls eine Bilderauswahl vom Netzwerktreffen in Dresden.

Lebenslagen: sichtbar und verborgen
Der Veranstaltungsort zeigte maximale Nähe zur Zielgruppe: ein großer heller Raum in einer Programmeinrichtung des Landeskreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge. Während draußen der Kita-Alltag seinen Gang ging, wurden drinnen die 30 teilnehmenden Fachkräfte und Einrichtungsleitungen von den Kolleg:innen der KBS begrüßt.
Zunächst ging es in einem Fachimpuls um Lebenslagen von Kindern und Familien als Ausgangspunkt für die Arbeit im Programm KINDER STÄRKEN 2.0. Grundsätzlich wird unter dem Begriff Lebenslagen in der Sozialen Arbeit das Wechselverhältnis von ökonomischen, sozialen und kulturellen Faktoren verstanden, diese bestimmen konkrete Lebensverhältnisse von Individuen und sozialen Gruppen. Lebenslagen sind u. a. als mehrdimensional, (zeitlich) dynamisch zu verstehen und lassen meist einen Handlungsspielraum zu. Dies bedeutet, dass es auch bei gleichen Lebenslagen von Kindern und Familien Unterschiede in der Deutung und im Umgang mit diesen gibt. Strukturelle Begrenzungen schließen individuelle Möglichkeitsräume demnach nicht aus. Sich mit Lebenslagen und sozioökonomischen Benachteiligungen von Kindern und Familien zu beschäftigen, bedeutet auch, eigene Zudeutungen und Vorurteile auf den Prüfstand zu stellen, sich mit Lebenssituationen und Familienkulturen auseinanderzusetzen und einen Perspektivwechsel zuzulassen.
Der Fachimpuls ging im Weiteren auf das kindbezogene Lebenslagenkonzept ein und richtete den Blick auf Armutsgrenzen und Armutsfolgen; oft entscheidende Faktoren für riskante Lebenslagen. Frühestmögliche Prävention kann einen Beitrag dazu leisten, die Armutsspirale bei Kindern zu durchbrechen und aufzuhalten. Hier setzt das Wirkungsfeld des Programms KINDER STÄRKEN 2.0 an.

Privilegiert sein – Ein Schritt nach vorn und (k)ein Blick zurück!?
Über den Perspektivwechsel zu sprechen ist das eine, diesen in einem Rollenspiel zu erleben und bewusst über soziale Teilhabe- und Ausschlussmechanismen zu reflektieren das andere. Dazu erhielten die Teilnehmenden unterschiedliche Rollenkarten mit diversen Lebenssituationen. Die Teilnehmenden stellten sich nebeneinander in einer Linie auf und verinnerlichten die ihnen zugeordnete Rolle bzw. Lebenssituation. Anschließend wurden nacheinander Aussagen vorgelesen. Alle, die in ihrer Rolle innerlich eine Frage mit Ja beantworten konnten, bewegten sich ein Stück vor. Antworteten sie dagegen mit Nein oder waren unsicher, blieben sie stehen. Dabei ging es um die subjektive Einschätzung der Teilnehmenden in ihrer zugewiesenen Rolle bezüglich Aussagen wie z. B. Sie können regelmäßig sich und Ihren Kindern neue Sachen zum Anziehen kaufen oder Sie können davon ausgehen, dass Ihnen wichtige Informationen in einer Sprache übermittelt werden, die Sie verstehen.
Während sich einige Teilnehmende auf Grund ihrer jeweiligen Lebenssituation Schritt für Schritt nach vorne bewegten, gingen andere nur sehr wenige Schritte. Die anschließende Auswertung und Reflexion machte die sozialen Unterschiede aufgrund von Indikatoren und Ausdeutungen der Lebenslage deutlich. Auch in der gesellschaftlichen Realität ist das Spektrum privilegierter und marginalisierender Lebenslagen alltäglich spürbar. Interessant bei der Auswertung war, dass die gleichen Rollen von jeweils anderen Teilnehmenden verschieden ausgedeutet wurden und Personen in der gleichen Lebenssituation mehr Schritte nach vorn gegangen wären als andere. Zwischen den Fachkräften entwickelte sich ein Austausch zu gesellschaftlichen Ungleichheitsverhältnissen und dazu, dass unterschiedliche Ausgangspositionen starken Einfluss auf die individuellen Handlungsspielräume von Kindern und Familien haben. In der professionellen Begegnung mit Kindern und Familien und deren Lebenslagen ist also immer wieder neu zu gewichten und zu sortieren, sind Verallgemeinerungen und vorschnelles Agieren zu vermeiden und ist Schubladen-Denken zu hinterfragen.

KINDER STÄRKEN vernetzt alle Ebenen miteinander
Im nächsten Schritt tauschten sich die Teilnehmenden in Kleingruppen zu Chancen und Grenzen ihres Wirkungsfeldes angesichts riskanter Lebenslagen aus. Damit wurde das Thema des diesjährigen KINDER STÄRKEN-Fachtags erneut aufgegriffen und vertieft. Es sind sehr viele Chancen, die an diesem Vormittag festgehalten werden. Als eine der größten Ressourcen wird die Zusätzlichkeit der Fachkräfte und die Zeit, die ihnen für die sozialpädagogische Arbeit zur Verfügung steht, genannt. Diese ermöglichen es u. a., lebenslagenbezogene Unterstützungsangebote für Kinder, intensive Beratung und Begleitung von Familien und Lotsendienste umzusetzen sowie die Vernetzung der Familien untereinander und im Sozialraum zu fördern. Die Bedarfsbezogenheit des Programms im Sinne der Ausgestaltung vor Ort wird als Chance hervorgehoben. Diese lässt innerhalb einer Rahmung eine Bandbreite an Angeboten und Tätigkeiten zu. Weiterhin füllen Begriffe wie Krisenintervention, Prävention und Stärkung des Kinderschutzes die Flipcharts. Auch der beim Netzwerktreffen reflektierte Perspektivwechsel wird als Chance in der Zusammenarbeit mit Kindern und Familien wahrgenommen. Denn damit Unterstützungsangebote angenommen werden, braucht es einen Beziehungsaufbau zu den Kindern und ihren Familien. Zur Sprache kam auch die Bedeutung für das Kita-Team und dessen Stärkung. Als zusätzliche personelle Ressource entlasten die zusätzlichen Fachkräfte ihre Kolleg:innen in besonders herausfordernden Situationen.

Das Handlungsfeld der zusätzlichen Fachkräfte im Programm KINDER STÄRKEN 2.0 kommt aber auch an Grenzen: Etwa wenn Familien weniger mitwirkungsbereit sind, wenn es Multiproblemlagen gibt, wenn Sprachbarrieren bestehen und wenn versucht wird, allen Bedarfen gerecht zu werden. Sozialraumorientierung bietet viele Chancen, hat aber auch ihre Grenzen, wenn Hilfsstrukturen fehlen oder überlastet sind. Die Arbeit im Programm KINDER STÄRKEN bedarf eines langen Atems, Ausdauer und einem hohen Maß an Motivation. Ebenso hat das Kita-Team Einfluss auf die Wirksamwerdung der zusätzlichen Fachkräfte. Eine Teilnehmerin beschreibt es so: „Wenn nicht alle aus dem Kita-Team hinter mir stehen, kann ich mich abstrampeln, wie ich will. Ich schaffe es dann nicht wirksam und anerkannt zu werden.“ Deshalb braucht es Erwartungsklärungen, Transparenz und eine gute Kommunikationskultur.

SAG MAL … Was genau tust du in deiner Position?
Das Netzwerktreffen sollte ebenso eine Plattform sein, um von den Chancen zu den konkreten Tätigkeiten in den Austausch zu kommen. Bei den Fachkräften zeigten sich viele Parallelen bei den Aufgaben: Sei es die individuelle Unterstützung von Kindern (sprachlich, motorisch oder in den Kontexten Resilienz, Gefühle, Konflikte), die Kleingruppenarbeit (Konzentrationstraining, FREUNDE-Programm), die Abwendung von Essensperrungen, das Elternangebot (Unterstützung bei der Antragstellung, Vermittlung und Begleitung zu Ämtern, Ärzten, Therapeuten, zusätzliche Elterngespräche, Übersetzungshilfen, Elterncafé, Krabbelgruppe, Matschküche, Wanderungen mit Eltern und Kindern, Tauschbörse, thematische Elternabende/Workshops) bis hin zu kollegialen Fallberatungen im Kita-Team und der Beteiligung an Teamentwicklungsprozessen. Es zeigte sich, dass die zusätzlichen Fachkräfte überall dort aktiv sind, wo zeitliche und fachliche Ressourcen der pädagogischen Fachkräfte an ihre Grenzen stoßen. Dort docken sie an und erweitern damit das Angebot der Kindertageseinrichtungen im Sinne der Zielstellungen des Programms KINDER STÄRKEN.
Die Leitungen sehen ihre Rolle vor allem darin, ihnen mit „unendlichem Vertrauen“ zu begegnen, das Team für die zusätzlichen Angebote zu sensibilisieren und die Lebensrealität der Eltern an Träger und Politik weiterzugeben. Mehrheitlich fordern sie eine Verstetigung des Programms KINDER STÄRKEN.

Zusätzliche Ressource durch KINDER STÄRKEN
Vom Netzwerktreffen besonders in Erinnerung bleibt, dass die Auflistung der Chancen um einiges länger ist als die der Grenzen. Die Motivation weiterzumachen und „dran zu bleiben“ ist unter den Teilnehmenden spürbar. Ebenso ist es die Wortkreation einer am Netzwerktreffen teilnehmenden Fachkraft: Lebensweltübersetzung, die gut zusammenfasst, was die Zusätzlichkeit von KINDER STÄRKEN (aus)macht: Sie vermittelt, sie baut Brücken, sie hat ein offenes Ohr und sie setzt Anker. Sie übersetzt Lebenswelten von Kindern und Familien an alle, die mit diesen zu tun haben.

In Bildern

Regionales Netzwerktreffen der KINDER STÄRKEN 2.0-Standorte des Landkreises Sächsische Schweiz-Osterzgebirge | 10. April 2024 | Heidenau


Regionales Netzwerktreffen der KINDER STÄRKEN 2.0-Standorte der Stadt Dresden | 21. März 2024 | Dresden

Alle Bilder © SLfG